- mondoverbale
Die nukleare Familie und andere hinterhältige Freunde
Aktualisiert: 18. März 2019
Wer kennt sie nicht, die falschen Freunde, die uns hinterrücks ein Bein stellen, unsere Gutgläubigkeit mit Füssen treten oder uns in hohem Bogen kopfvoran ins Fettnäpfchen stürzen lassen? Es gibt sie zuhauf, nicht nur auf dem Schulhof oder am Arbeitsplatz – auch in der Sprache: Als „falsche Freunde“ bezeichnet man Wörter in verschiedenen Sprachen, die sich verführerisch gleichen, jedoch völlig unterschiedliche Dinge bezeichnen.

Ob false friends, faux-amis oder falsos amigos: Sie haben es in sich und sorgen ungewollt für manchen Lacher – oder rote Köpfe. So erging es kürzlich einem Bekannten aus London, der seine Schweizer Kollegin als scharfsinnige Denkerin preisen wollte. Ausgehend vom englischen sharp, das diese analytische Brillanz ausdrückt, versteigerte er sich zur Aussage: „Sie sind scharf!“ (Sie widersprach nicht.)
Richtiggehend ins Herz geschlossen habe ich die missglückte Übersetzung eines Praktikanten aus den USA, der aus der nuclear family - also der Kernfamilie mit Mutter, Vater und Kindern - die nukleare Familie schuf. Schöner gehts kaum.
Achtung: Sprachfallen
Auch im Alltag lauern Sprachfallen: Werde ich während meines Englandaufenthalts krank, gehe ich zum physician, also zum Arzt. Der Physiker hingegen heisst physicist. Schickt mich der Arzt dann mit einem Rezept zum chemist, so gehe ich tunlichst nicht zum Chemiker, sondern zur Apotheke. Diese wiederum heisst in den USA drugstore – ist aber kein Drogenumschlagplatz.
Geht ein Siebenjähriger ins gymnasium, ist nicht gleich auf einen Fall von Hochbegabung zu schliessen. Denn der Knirps besucht nicht das Gymnasium, sondern geht bloss zur Turnhalle.
Häufige Fehlübersetzungen
Weniger harmlos ist die Übersetzung von billion: Amerikaner verstehen darunter eine Milliarde und nicht etwa eine Billion (das wäre dann eine trillion). Eine Fehlübersetzung kommt einen eventuell teuer zu stehen!
A propos eventuell: Das naheliegende eventually lockt ebenfalls auf eine falsche Fährte, da es letztendlich oder schliesslich bedeutet. Korrekt wäre beispielsweise die Übersetzung mit maybe oder possibly.
Ein ähnlich gelagerter Fall von falscher Freundschaft, der mir bei Lektoraten häufig begegnet, ist actually. Beträgt der Zinssatz aktuell 2 %, so heisst die englische Übersetzung korrekt: The interest rate currently amounts to 2%. Actually hingegen bedeutet eigentlich oder tatsächlich. Ja, tatsächlich!
Hinterfragen und nachschlagen
Wer sich für solche sprachlichen Tücken aus der Übersetzerpraxis interessiert, dem sei das Büchlein „False Friends. A Short Dictionary“ aus dem Hause Reclam empfohlen. Es enthält die wichtigsten 1500 falschen Freunde (Englisch/Deutsch) mit Übersetzungen und Beispielsätzen.
Damit Sie gewappnet sind.
Denn falsche Freunde sind manchmal schlimmer als offene Feinde.